Wir müssen reden!Neue Wirtschaftseinfahrt für den Hauptfriedhof?
Veröffentlicht · Aktualisiert
Am 08.10.2024 gab der Finanzausschuss mit 3 Gegenstimmen grünes Licht für die Finanzierung einer neuen Wirtschaftszufahrt zum Hauptfriedhof. Durchbrochen wird die 160 Jahre alte Friedhofsmauer, an der großen Unrnengemeinschaftsanlage im Nordbereich des Friedhofs.
Nach Akteneinsicht führt der Beschluss im Nachgang zu Irritationen.
1. Ausgangslage und Planungshistorie
05.09.2022 – Vorhabenbeschluss und Vergabe von Planungsleistungen, Neubau eines Verwaltungsgebäudes für die Bestattungsdienste Zwickau auf dem Flurstück 1655 der Gemarkung Zwickau in 08058 Zwickau, Crimmitschauer Straße 45
Aus der Begründung:
„Das Liegenschafts- und Hochbauamt wurde vom Garten- und Friedhofsamt, Abteilung Bestattung und Friedhofswesen mit der Errichtung eines Büro– und Ausstellungsgebäudes für die Bestattungsdienste Zwickau beauftragt.
Aus dem Beschlusstext:
„Der geplante Neubau entsteht am Nordeingang des Hauptfriedhofes in der Nähe des Krematoriums. Dafür wird der vorhandene Blumenverkaufscontainer umgesetzt.
Bausumme:
558.000,00 EUR netto
Baubeginn:
22.05.2023 Vergabe Bauleistungen
Kritische Betrachtung der Planungs- und Beschlussverfahren
08.10.2024 Beschluss Bereitstellung außerplanmäßiger Mittel für das Bauvorhaben Hauptfriedhof Zwickau „Neubau Zufahrt Nord“
Aus der Begründung:
„Mit der Ankündigung des Tiefbauamtes, die Crimmitschauer Straße im Bereich des Haupteinganges einschließlich der Zufahrt von der Crimmitschauer Straße zu erneuern und der damit erforderlichen Schließung der Friedhofszufahrt, mussten deshalb sofort alle Möglichkeiten für eine Ersatzzufahrt geprüft werden.
Es besteht die Aufgabe, bis zum Beginn der Straßenbauarbeiten auf der Crimmitschauer Straße mit dem geplanten Bauabschnitt zwischen der Kolpingstraße und der Friedrich- Engels-Straße eine zeitweilige oder dauerhafte Ersatzzufahrt herzustellen.
Im Ergebnis der Prüfung aller wesentlichen Faktoren hinsichtlich des baulichen Aufwandes, denkmalpflegerischer Belange, der zu kalkulierenden Kosten, der Nachnutzbarkeit sowie der Sicherheitsanforderungen wurde eine bisher nicht mögliche Variante im Bereich der Friedhofnordseite favorisiert.
Der erst im laufenden Jahr realisierte Abbruch eines alten, größeren Trafogebäudes der ZEV GmbH und dessen Ersatz durch eine wesentlich kleinere Kompaktstation ermöglicht jetzt die Herstellung einer zweiten und zudem dauerhaften Zufahrt.
Weiter aus der Begründung:
„Bisher konnten sämtliche Baumaßnahmen mit dem entsprechenden Baustellenverkehr über den Haupteingang abgewickelt werden. Die Baustellenandienung unter den heutigen Anforderungen über die relativ schmalen Hauptwege – häufig über die gesamte Friedhofslänge – besitzt ein sehr hohes Konfliktpotential. (Was ist daran anders, wenn jetzt die Andienung von der anderen Seite kommt?) Einerseits ist eine deutliche Beeinträchtigung der Friedhofsruhe gegeben, (genau!) andererseits bestehen erhebliche Gefahren beim Aufeinandertreffen häufig älterer und trauernder Friedhofsbesucher und der Bautechnik.
Darüber hinaus sind alle auf dem Friedhof tätigen Gewerke, von Friedhofsgärtnern, Steinmetzen bis Landschaftsbauer und eigene Pflegekräfte auf Mobilität und damit entsprechender Kraftverkehrstechnik angewiesen. (Was ist daran neu?)
Eine weitere maßgebliche Belastung ergibt sich aus der heute verpflichtenden Entsorgung aller anfallenden Abfälle über zugelassene Entsorgungsbetriebe (keine Kompostierung). Die Bewirtschaftung erfolgt mit Hilfe von Containerfahrzeugen, die bei der Friedhofsgröße von über 12 ha nahezu täglich innerhalb der Arbeitswoche Ein- und Ausfahren müssen. (Organisationsfrage) Mit derzeit 200 Entleerungen im Jahr ergeben sich allein durch diese Fahrzeuge schon rund 400 Fahrten durch den Friedhof. Nicht zuletzt müssen auch Feuerwehr- und Rettungsfahrzeuge jederzeit auf das Friedhofsgelände gelangen können. (Auch nichts neues.) Eine mehrwöchige Unterbrechung der einzigen Zufahrt bzw. schon zeitweilige Behinderungen der täglichen Andienung hätte fatale Folgen für die gesamte Bewirtschaftung und Friedhofssicherheit. (Bei Westermann Druck geht es doch auch…) Darüber hinaus besteht grundsätzlich neben der geplanten Baumaßnahme des Tiefbauamtes die Notwendigkeit einer zweiten Zufahrt, (Mag schon sein, aber nicht an der Stelle, nur weil die baulichen Voraussetzungen vorab so eingefädelt wurden – NEIN) um bei einer Havarie stets eine gesicherte Andienung zu gewährleisten.“
Nach einer ersten Akteneinsicht ergibt sich ein nun ein Gesamtbild der Vorgänge.
Eine Terminübersicht
11.05.2021 – Vorhabenbeschluss für Straßen Oberbau Crimmitschauer Straße in
Teilabschnitten
05.09.2022 – Vorhabenbeschluss für das Verwaltungsgebäude
22.05.2023 – Vergabe von Bauleistungen für das Verwaltungsgebäude
04.08.2023 – Antrag auf Erneuerung des Trafohauses
09.08.2023 – denkmalsschutzrechtliche Genehmigung Abbruch Trafohaus (5 K-Tage)
02.02.2024 – Antrag der Fällgenehmigung
20.02.2024 – Fällgenehmigung erteilt
03.06.2024 – Antrag zur Herstellung der Zufahrt
06.08.2024 – denkmalsschutzrechtliche Genehmigung für die Zufahrt (64 K-Tage)
09.08.2024 – Eröffnung Verwaltungsgebäude
07.10.2024 – Beschlussvorlage „Neubau Zufahrt Nord“ im Finanzausschuss
Das Argument Bauarbeiten auf der Crimmitschauer Straße rechtfertigen nicht die Zerstörung der 160 Jahre alten Friedhofsmauer und das Versetzen der Skulptur „Der müde Wanderer“ für eine dauerhafte Wirtschaftszufahrt.
Außerdem ist die Baumaßnahme auf der Crimmitschauer Straße mit der BV/086/2021 seit 2021 bekannt und damit kein plötzliches Ereignis.
Vordergründig werden aber diese geplanten Bauarbeiten als Verstärker genutzt und dramatisiert, weil anzunehmen war, dass die Maßnahme möglicherweise keine Zustimmung finden könnte. Dafür brauchte man eine gute Geschichte, denn es ging schließlich um die Bereitstellung von 110.000,- € außerplanmäßiger Mittel, in einer Situation, wo noch kein Haushalt aufstellbar ist.
Im Finanzausschuss wurde vermittelt, dass alles vollkommen schlüssig und problemlos ist, sowie alternativlos sei.
Das Ablenkungsmanöver erreichte sein Ziel.
So wurde nur die Umsetzung einer Baumaßnahme zur Problemlösung einer Herausforderung diskutiert.
Warum eigentlich die Aufregung?
In keiner Weise wurden diese Auswirkungen auf die Friedhofsnutzer in die Betrachtung einbezogen.
Die repräsentative Urnengemeinschaftsanlage befindet sich dann künftig an einer Wirtschaftseinfahrt mit erheblicher Frequenz und eine umfeldprägende Skulptur wird dafür entfernt.
Was bedeutet die Öffnung der Mauer und das Anlegen einer zusätzlichen Wirtschaftseinfahrt an dieser Stelle?
- Es ist eine Beeinträchtigung der Trauer-und Gedenkruhe.
- Zerstörung des Bildes und Atmosphäre in diesem Bereich.
- Störung des immateriellen Erbe der Friedhofskultur.
Emotionen, Gedenkruhe scheinen dabei keine Rolle zu spielen.
Das steht alles im Widerspruch zu dem sehr gepflegten und schön gestalteten Ort der Besinnung, Trauer und Gedenkruhe, sowie der Friedhofskultur.
Bei Auswahl einer Grabstätte der Hinterbliebenen im besagten Bereich konnten diese nicht davon ausgehen, dass die Grabstätte einmal an einer Wirtschaftszufahrt liegen wird.
Empörte Reaktionen gibt es bereits.
Letztlich läuft die Frage darauf hinaus:
Was hat mehr Gewicht – der Zweck des Friedhofs oder das Bewirtschaftungshandling?
Die Verfahrensweise zum Herbeiführen der Beschlüsse kann im Gesamtkontext kritisch bewertet werden. Bei der Betrachtung der Vorgänge bekommt man ein „Geschmäckle`“.
Die „…die bisher nicht mögliche Variante im Bereich der Friedhofsnordseite“ wurde bereits im Frühjahr Februar 2024 eingeleitet und vor der Beschlussfassung begonnen.
Das lässt sich davon ableiten, dass die Abholzung mit Bescheid vom 20.02.2024 vor dem Antrag an den Denkmalschutz erfolgte.
Damit wurde ein möglicher Hinderungsgrund vorab beseitigt. Denn in der denkmalsschutzrechtlichen Genehmigung vom 06.08.2024 steht unter:
1.1 Vorhandene Gehölze im/am Arbeitsbereich sind zu schützen. (Welche es da schon nicht mehr gab.) Erforderliche Flächen für die Baustelleneinrichtung sind ausschließlich im Bereich befestigter Wege, Platzflächen anzulegen.
Damit drängt sich die Frage auf:
Ist die vorgenommene Abholzung dem Denkmalschutz bekannt gewesen?
In der Beschlussvorlage wird darauf verwiesen, dass die denkmalschutzrechtliche Genehmigung vorliegt, die Auflagen bleiben im Ausschuss unerwähnt.
In Punkt 1.6 steht zum Beispiel: Für die Statue „Der müde Wanderer“ ist möglichst, deren originaler Standort und Errichtungzeitpunkt zu ermitteln. Der neue Aufstellungsort wird danach durch die Denkmalschutzbehörde festgelegt.
Man kann annehmen, dass bei der Maßnahme der Denkmalschutz versagt hat.
Die Annahme macht sich daran fest, wenn man die Vorgänge um den Abriss der Tankstelle an der Kopernikusstraße mit in die Betrachtung einbezieht.
Im vorliegenden, viel sensibleren Bereich wird eine Zustimmung erteilt. Das ist unverständlich.
Der Beschuss im Finanzausschuss ist möglicherweise nur durch eine vorsätzliche Informationsunterlassung und Beeinflussung zur Durchsetzung einer bereits begonnen Maßnahme zu Stande gekommen.
Es ist anzunehmen, dass nach dem Motto gehandelt wurde: Wir machen erst mal, den Beschluss bekommen wir dann schon.
Wie sich die Dinge wiederholen – „Langer Teich“ ich sage nur: „erhebliche Irritationen“ bis hin zu einer Entschuldigung der Baubürgermeisterin für die Informationspolitik des Rathauses.
Hinzu kommt die Eingangs beschriebene andere Einordnung des Verwaltungsgebäudes gegenüber der beschlossenen Stelle im Vorhabenbeschluss.
Denn erst die Verschiebung des Verwaltungsgebäudes auf die Freifläche des Parkplatzes, neben dem Abriss des Trafogebäudes, ermöglichte augenscheinlich die optimalen Bedingungen für die Wirtschaftseinfahrt nebst Fläche für Ersatzpflanzungen.
Das hat sich aus meiner Sicht nicht einfach ergeben, sondern war gesteuert. Das geschah entgegen dem Vorhabenbeschluss am Stadtrat vorbei.
Die angewendete Salamitaktik ist nicht zu akzeptieren.
- Es kann nicht sein, dass die Räte etwas beschließen und dann wird es einfach anders gemacht.
- Genauso kann es nicht sein, dass eine Maßnahme begonnen wird, bevor der Beschluss dazu gefasst wurde.
Tristan Drechsel
Stadtrat
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